09/03/2013

Katechismus der Krise der Bruderschaft (Dritter Teil)



Katechismus der Krise der Bruderschaft 

(Dritter Teil) 




49) Wurde Mgr Fellay nicht in die Irre geführt durch „den Widerspruch, der in Rom herrscht“ (Mgr Fellay, Dici 264)? 

Rom hat sich immer der gleichen Sprache bedient, die zwar falsch, aber klar und präzise ist. Der Generalobere hingegen hat sich die ganzen letzten Jahre hindurch in seinen offiziellen Communiqués und Pressemitteilungen einer zweideutigen und ungenauen Ausdrucksweise bedient. 


50) Konnte man sich über die Absichten des Papstes nicht täuschen? 
Nein! 


51) Warum nicht? 

Weil Benedikt XVI. am Mittwoch, den 20. April 2005, dem Tag nach seiner Wahl, vor 114 Kardinälen seine erste Botschaft an die Welt richtete. Darin lobte er Papst Johannes Paul II., „seine Lehre und sein Beispiel“: 
„Papst Johannes Paul II. hat das II. Vatikanische Konzil zu Recht als einen 'Kompaß' bezeichnet, an dem wir uns im weiten Ozean des dritten Jahrtausend orientieren können. Deshalb will auch ich, während ich mich darauf vorbereite, mein Amt als Nachfolger Petri auszuüben, mit Nachdruck meinen festen Willen bekunden, der Aufgabe der Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils, im Einklang mit meinen Vorgängern und in treuer Kontinuität mit der zweitausendjährigen Tradition der Kirche nachzukommen... Die Konzilsdokumente erweisen sich als besonders relevant angesichts der neuen Bedürfnisse der Kirche und der heutigen globalisierten Gesellschaft.“ (Osservatore Romano, 21-4-2005) 


52) Was dachte Mgr Fellay von Benedikt XVI. zum Zeitpunkt seiner Wahl? 

„Um unsere Auffassung ganz kurz in einem Bild zusammenzufassen: Wenn wir die Allegorie des freien Falls nehmen, um das Pontifikat Johannes Pauls II. zu kennzeichen, können wir vermuten, daß Benedikt XVI. versuchen wird, einen Fallschirm zu öffnen, dessen Größe wir noch nicht kennen. Der Fallschirm bewirkt, daß der Fall mehr oder weniger stark gebremst, die Richtung jedoch beibehalten wird; man fällt immer tiefer. Dadurch könnte sich manch einer täuschen lassen und glauben, daß der Zeitpunkt der Erneuerung der Kirche gekommen sei. Das ist jedoch nicht der Fall, es sei denn, es geschieht ein Wunder. Das II. Vatikanum sowie die großen Leitlinien der Kollegialität, des Ökumenismus und der Religionsfreiheit bleiben weiterhin die Norm, wobei vor allem der Ökumenismus mit den „Nächststehenden“, das heißt Orthodoxe, Anglikaner und Juden, mit Nachdruck betrieben wird. Was die Frage der Liturgie betrifft, müssen wir mit einer Stärkung der (Kommission) Ecclesia Dei und dem Versuch einer „Reform der Reform“ rechnen.“ (Cor unum, Juni 2005) 


53) Und was dachte er im Jahr 2012, als man den 50. Jahrestag des Konzils feierte und den Gläubigen, die sich einen Vortrag über das II. Vatikanum anhörten, Ablässe gewährte? 

„Wir können in der Haltung der Kirche eine Veränderung feststellen, die durch die Gesten und Maßnahmen Benedikts XVI. gegenüber der Tradition unterstützt wird... Der Vorrang des II. Vatikanums verliert an Bedeutung... In Rom habe ich bemerkt, daß die bis zum Überdruß wiederholte Glorifizierung des II. Vatikanums zwar noch in vieler Munde ist, aber nicht mehr in allen Köpfen.“ (Brief vom 14-4-2012) 


54) Seien Sie doch ehrlich, an dieser Festellung ist etwas Wahres dran. 

Wenig Wahres, das viel Falsches verbirgt. Mgr Lefebvre vergaß bei seiner Beurteilung nie das Wesentliche: die Prinzipien. In einem Interview mit der Zeitschrift Jesus erklärte Kardinal Ratzinger, daß „die Werte zweier Jahrhunderte liberaler Kultur“, die „außerhalb der Kirche entstanden seien, „in der Vision, die die Kirche von der Welt hat, Platz gefunden“ hätten. Da jedoch das Klima nicht mehr vom Optimismus der sechziger Jahre geprägt sei, müsse man „jetzt nach einem neuen Gleichgewicht suchen.“ Hierzu bemerkte Mgr Lefebvre: 

„Eines ist klar: das sind die Menschenrechte, die Religionsfreiheit, der Ökumenismus. Das ist satanisch. Und der Kardinal sagt: 'Das ist eine vollendete Tatsache, jetzt muß man nach einem neuen Gleichgewicht suchen.' Er sagt nicht, man müsse die Prinzipien und Werte, die von der liberalen Kultur herrühren, beseitigen, sondern man müsse versuchen, ein neues Gleichgewicht zu finden. Dieses neue Gleichgewicht ist das des Opus Dei: ein äußerer Anschein von Traditionalismus, von Frömmigkeit, von religiöser Disziplin, gepaart mit liberalen Vorstellungen. Ein Kampf gegen die Menschenrechte, gegen den Ökumenismus oder gegen die Religionsfreiheit kommt nicht in Frage. Um dieses Gleichgewicht zu finden, müssen sie (das Opus die) daher die Theologie der Befreiung ein wenig kritisieren, desgleichen die französischen Bischöfe wegen des Katechismus; sie müssen denen, die sich wirklich nach der alten Messe sehnen, eine kleine Freude bereiten, das genügt. Sie geben sich letztlich den Anschein, zur Tradition zurückkehren zu wollen, aber sie haben nicht den Willen dazu. Wir müssen daher unsere Gläubigen warnen, damit sie sich nicht täuschen lassen, damit sie sich nicht gefangennehmen lassen von einem äußeren Anschein der traditionellen Reform, der sie aber zwangsläufig zur Annahme des Liberalismus und der liberalen Vorstellung führen würde.“ (Saint-Nicolas-du Chardonnet, 13-12-1984) 


55) Mgr Fellay sagt, er habe sich im Papst getäuscht, weil er in Rom getäuscht wurde. 

Sagen kann er das, aber nicht beweisen. Der Papst hatte Mgr Fellay und die Bruderschaft öffentlich gewarnt: 

„So wird klar, daß die jetzt zu behandelten Probleme hauptsächlich lehrmäßiger Natur sind und es dabei vor allem um die Annahme des II. Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren Lehramtes der Päpste geht... Man kann die lehramtliche Autorität der Kirche nicht im Jahre 1962 einfrieren; das muß der Bruderschaft klar sein. Indessen müssen wir jene, die sich selbst zu großen Verteidigern des Konzils ernennen, daran erinnern, daß das II. Vatikanum die ganze doktrinale Geschichte der Kirche umfaßt. Wer dem Konzil Folge leisten will, muß den Glauben anerkennen, der im Laufe der Jahrhunderte verkündet wurde; er kann nicht die Wurzeln kappen, von denen der Baum lebt.“ (Benedikt XVI. zu den Bischöfen, 10-3-2009) 



56) Vielleicht rühmt Benedikt XVI. das II. Vatikanum aus politischen Gründen, glaubt aber im Grunde selbst nicht daran, wie Mgr Fellay vor den in Flavigny versammelten Prioren vorgab, als es um die Seligsprechung Johannes Pauls II. ging? (13-2-2012) 

Wenn Benedikt XVI. glaubt, was er sagt, ist er Modernist. Wenn er es nicht glaubt, ist er ein Heuchler. In beiden Fällen ist der Wille einer solchen Persönlichkeit nicht maßgebend. In beiden Fällen ist es zumindest unangebracht, zu sagen: „Zum Wohle der Bruderschaft würden wir bei weitem die derzeitige Zwischenlösung des Status quo vorziehen, aber offensichtlich nimmt Rom das nicht mehr hin.“ (Mgr Fellay, Brief vom 14-4-2012) 


57) Sie sehen immer nur das, was uns spaltet und nie das, was uns eint. Benedikt XVI. verurteilt aber doch „die Hermeneutik des Bruches“! 

Sie reden wie ein Neuling, der die modernistische Lehre überhaupt nicht kennt. Nach Ansicht der Modernisten ist alles lebendig, ist alles Geschichte. Alles ist historische, aber nicht lehrmäßige Kontinuität, denn ein Modernist glaubt, daß die Wahrheit sich entsprechend dem Leben der Kirche fortentwickelt. 


58) Wurde Mgr Fellay vielleicht schlecht beraten? 

In Menzingen sicher, aber nicht in der Bruderschaft. Höhere Obere, Bischöfe, befreundete Priester und Ordensobere haben Mgr Fellay gewarnt. Selbst in Rom haben ihm manche abgeraten, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Unter anderem der Hochwürdige Pater Ferre, der Sekretär von Kardinal Cañizares, und andere (Quelle: Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011) 


59) Aber Mgr Fellay hat doch keinerlei Kompromiß mit Rom geschlossen und keinerlei Zugeständnis gemacht? 

Es kann sein, es kann aber auch nicht sein. Es liegen uns noch nicht alle Dokumente vor; es wird sich in Zukunft zeigen. Mgr Fellay hat jedenfalls folgende merkwürdige vertrauliche Mitteilung gemacht: „Die Unterredung vom 13. Juni mit Kardinal Levada hat in der Tat bestätigt, daß der Vatikan“ uns „auf Basis meines Schreibens vom 14-4-2012 eine kanonische Lösung“ vorgeschlagen hat, bei der man gleichzeitig sagen muß, man sei einverstanden und man sei es nicht.“ „Mit diesem äußerst heiklen Schreiben schienen sowohl der Papst als auch die Kardinäle einverstanden zu sein.“ (Cor unum, Sommer 2012) 


60) Darf ich Sie daran erinnern, daß Mgr Fellay am 13. Juni 2012 nichts unterschrieben hat? 

„Wer eine Frau auch nur begehrlich anschaut, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ Man kann sehr gut in Gedanken oder Begierden geistigen Ehebruch begehen, ohne seine Schandtat ausgeführt zu haben. 


61) Aber Sie beurteilen ja die Absicht. 

Nein! Ich kann aber lesen. Mgr Fellay warf den Bischöfen der Bruderschaft ihre „zu menschliche und gar fatalistische“ Sicht der Kirche vor. (Brief vom 14-4-2012) 

„Wir müssen anerkennen, daß uns alle Gesten der letzten Jahre unter der Leitung von Benedikt XVI. erwiesen wurden.“ (Das ist falsch, wie wir gesehen haben.) 

„Aber sie geben eine Linie vor - keine ganz gerade – aber doch klar zugunsten der Tradition.“ 

(Das ist eine oberflächliche Behauptung, weil sie materialistisch und subjektivistisch ist und daher objektiv und formal falsch.) 

„Man verwandelt die Konzilsirrtümer in Superhäresien, das wird zum absolut Bösen, schlimmer als alles andere... Das ist schlimm, weil diese Karrikatur nicht mehr der Realität enspricht.“ (Man fragt sich, ob Mgr Fellay den Kampf Mgr Lefebvres überhaupt verstanden hat, der sagte: „Die Antworten Roms auf unsere Einwände versuchten zu beweisen, daß es keinen Wechsel gab, sondern daß die Tradition fortbestand. Diese Behauptungen sind schlimmer als die der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Das ist die wahre offizielle Lüge. Wir können uns nicht mehr verstehen, man (Rom) befindet sich in einer ständigen Weiterentwicklung. Wir können nicht mehr [miteinander] reden.“ (Mgr Lefebvre, zitiert von Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011) 

„Das wird logischerweise in Zukunft in einem wahren Schisma enden.“ (Hier haben wir es mit einem weiteren unaufrichtigen Sophismus zu tun, der an das Gefühl appeliert und nicht auf nüchterner Überlegung beruht. In einem Brief, den Mgr Lefebvre 1989 an Mgr de Galarreta richtete, schrieb er: „Wir sollten das Vorgehen des Dämons zur Schwächung oder Vernichtung unseres Werkes einer Untersuchung unterziehen. Die erste Versuchung besteht darin, gute Beziehungen zum Papst oder den derzeitigen Bischöfen zu unterhalten. Selbstverständlich ist es eher üblich, mit den Autoritäten mit Einklang zu leben als mit ihnen im Streit zu liegen. Man wird die Bruderschaft dann anklagen, die Irrtümer des II. Vatikanischen Konzils übertrieben darzustellen, übermäßige Kritik an den Schriften und Maßnahmen des Papstes und der Bischöfe zu üben, sich mit übertriebener Strenge an den traditionellen Ritus zu klammern, zum Sektierertum zu tendieren, der sie eines Tages zum Schisma führen wird. Sobald das Wort Schisma einmal gefallen ist, wird man es als Schreckensbild verwenden, um den Seminaristen und den Familien Angst einzuflößen, damit sie die Bruderschaft umso leichteren Herzens verlassen, als Priester, Bischöfe und selbst Rom Garantien für eine gewisse Tradition bieten.“) 

„Und vielleicht ist diese Tatsache eines der Argumente, die mich drängen, nicht länger zu warten, um den dringenden Bitten Roms nachzukommen. Derartig, daß wir in der entscheidenden Frage, der Möglichkeit, zu den Bedingungen einer Anerkennung der Bruderschaft durch Rom zu überleben, nicht zur gleichen Schlußfolgerung gelangen wie Sie.“ (Klarer kann man sich nicht ausdrücken.) 


62) Aber dieser private Brief war doch nicht zur Veröffentlichung gedacht. 

Ja und? Hat jemand das Recht, privat eine Blasphemie auszusprechen, wenn er darauf verzichtet, es öffentlich zu tun? Hört eine böse Absicht deswegen auf, böse zu sein?


63) Menzingen behauptete, daß der für diese Indiskretion Verantwortliche „schwer gesündigt“ hätte. 

Wir glauben ganz im Gegenteil, daß er nichts weiter getan hat als seine Pflicht. Wenn der Führer den Kopf verliert, muß das Korps das wissen. Und wenn es Sünde war: O felix culpa, die die Gedanken der Herzen emporgehoben hat. 


64) Das sind schlimme Vorgänge, für die wir unwiderlegbare Beweise brauchen. 

Es liegen uns genügend Aussagen von Mgr Fellay vor, die sein inneres Denken offenbaren. 


65) Welche Aussagen? 

An dem „Text, den man ihm im Juni vorlegte“, gab es Änderungen, die der Papst persönlich gewollt hatte (die drei Bedingungen: Lehramt, II. Vatikanum, die Messe Pauls VI.). „Als man mir dieses Dokument vorlegte, habe ich gesagt: 'Nein, ich unterschreibe nicht, die Bruderschaft unterschreibt das nicht.'“ (Mgr Fellay, 1-11-2012, Dici 264) 


66) Wodurch wird diese Verteidigung Mgr Fellays zum Urteil? 

Wenn diese Änderungen Mgr Fellay bewogen haben, nicht zu unterschreiben, dann heißt das doch, daß es an jenem Tag tatsächlich etwas zu unterschreiben gab. Zu sagen: „Nein, ich unterschreibe nicht“, schließt doch unausgesprochen die andere Möglichkeit ein: „Ja, ich unterschreibe“. 

Und in diesem Fall, das heißt ohne die päpstlichen Änderungen, was konnte er da, im Namen der Bruderschaft, anderes unterschreiben als ein praktisches Abkommen ohne lehrmäßiges Abkommen? 

Und dies gegen den Willen den Kapitels von 2006 und ohne Zusammenkunft eines außerordentlichen Kapitels. 



67) Ohne diese lehrmäßigen Erläuterungen, die der Papst hinzugefügt hat, wäre es also zum Anschluß gekommen? 

Alles deutet darauf hin; und es wird durch mehrere Indiskretionen der Generalassistenten Pfluger und Nély bestätigt. 


68) Mgr Fellay ist aber doch kein Modernist. 

Natürlich nicht. Das hat auch nie jemand geglaubt. Aber Cardinal Billot hat gelehrt, daß der Liberale „ein zusammenhangslos denkender Mensch ist, einer, der ja sagt, der nein sagt, der es nicht genau weiß, der sich nie klar ausdrückt, der immer zweideutig redet, und dies alles, um der Welt zu gefallen“. Wer zum liberalen Denken neigt, ist daher anfällig für die Versuchung eines Anschlusses an Rom, bevor es sich bekehrt hat. Darin besteht die Gefahr: in einem Willen zum Ausgleich, nicht in einer direkten und theoretischen Anerkennung des II. Vatikanums. Die Gefahr besteht in dieser liberalen Illusion, die in der Praxis einen modus vivendi mit dem konziliaren System sucht. 


69) Warum haben sich Mgr Fellay und sein Generalrat aller diese Doppeldeutigkeiten bedient? Warum waren sie derart unvorsichtig bis hin zum Ungehorsam? Warum haben sie es mit dieser derart gefährlichen und selbstmörderischen Politik versucht? 

Weil Mgr Fellay und seine Umgebung im Grunde genommen eher zur Ekklesiologie Benedikts XVI. neigen als zu der Mgr Lefebvres.
 
(wird fortgesetzt)