12/06/2013

Gibt es überhaupt eine „Konzilskirche“ oder vielmehr keine?

Gibt es überhaupt eine „Konzilskirche“ oder vielmehr keine?
Gedanken zu den Ansichten eines Sophisten.




In einem in deutschsprachigen „Traditionalisten“-Kreisen leider recht verbreiteten Desinformations-Blatt, das sich unlängst darin gefiel, in Kirchenverfolger-Manier Rufmord an einem kontemplativen Kloster und seinem Spiritual zu treiben, fand sich neuerdings ein Beitrag, der angeblich eine „organisierte Verwirrung“ unter den Gläubigen beheben will, in Wahrheit jedoch als genau eine solche angesehen werden muß. Darin soll es nun darum gehen, „den philosophischen und theologischen Irrtum“ gewisser „Eiferer aufzudecken“, und das ausgerechnet mit der übelsten Sorte von Sophisterei. Doch der Reihe nach.

Ansichten eines Sophisten

Da heißt es zunächst: „Sie“ - die „Eiferer“ sind hier gemeint -, „sie“ also „sprechen von Konzilskirche und meinen damit eine andere Kirche. Es gibt aber keine andere Kirche als die konkrete römisch-katholische Kirche, die freilich vom liberalen Geist durchdrungen, entstellt und fast unkenntlich geworden ist“. Sicher ist es richtig, daß es in Wahrheit nur eine einzige Kirche gibt, die Kirche Unseres Herrn Jesus Christus, die auf Petrus, den Fels, gegründet ist. Dennoch hat es sich eingebürgert – was man bedauern mag, aber nun einmal so ist – auch in bezug auf andere christliche Gemeinschaften von „Kirchen“ zu sprechen. Man redet heute von den protestantischen oder orthodoxen „Kirchen“, obwohl es sich streng genommen um keine Kirchen handelt, denn Kirchen im Plural kann es überhaupt nur im Sinn von Teilkirchen der katholischen Kirche geben, und das sind jene häretischen und schismatischen Gemeinschaften ja gerade nicht.
Genaugenommen müßte man also von Sekten, oder, neutraler, einfach von Religionsgemeinschaften sprechen, und so auch bei der „Konzilskirche“. Der Ausdruck „Konzilssekte“ wäre sicher korrekter, ist aber nicht üblich und in „Traditionalisten“-Kreisen nicht so gängig, zumal auch Erzbischof Lefebvre, wie der Autor unseres in Rede stehenden Beitrags ohne weiteres zugibt, stets von der „Konzilskirche“ gesprochen hat.

Handelt es also im Grunde einfach um eine Frage der Sprachregelung? Nein, weit gefehlt, denn  unser kundiger und mit allen Wassern der Sophistik gewaschener Autor macht an diesem zugegeben ungenauen und uneigentlichen Begriff nun seine „philosophisch-theologische“ Argumentation fest, wie er schon angedeutet hat mit dem Hinweis, die „konkrete römisch-katholische Kirche“ sei „vom liberalen Geist durchdrungen, entstellt und fast unkenntlich geworden“. Und das geht ungefähr so: Da es nur eine Kirche gibt, nämlich die „konkrete römisch-katholische“, kann die „Konzilskirche“ keine andere als diese Kirche sein, nur eben „entstellt“ und „fast unkenntlich geworden“. Daß dabei eigentlich nur mit der Äquivozität der Begriffe „Kirche“ gespielt wird, einmal im eigentlichen Sinn genommen als Kirche Jesu Christi, das andere mal im uneigentlichen Sinne genommen für eine Sekte, das scheint dem Autor entweder nicht aufzufallen oder es ist eben gerade typisch für seine sophistischen Gedankengänge. Das ist ein wenig, als würde man behaupten, daß es den Strauß eigentlich nur als Vogel gibt, der im Blumen-Strauß, im Walzer-Strauß oder in Franz Josef Strauß „entstellt“ und „fast unkenntlich geworden“ sei. Zumindest liegt jedoch eine „petitio principii“ vor, insofern das bereits vorausgesetzt wird, was doch erst zu beweisen wäre, nämlich daß es gar keine „Konzilskirche“ gibt.

Doch kommen wir zur Durchführung der Argumentation: „Nach der klassischen Philosophie ist das malum privatio boni, das Übel bzw. das Böse eine Beraubung an Gutem, keine selbststehende Substanz. Mit anderen Worten: Das Gute und das Böse, Gott und der Teufel sind nicht zwei auf gleicher Höhe sich gegenseitig bekämpfende Prinzipien. Vielmehr ist Gott der Absolute und selbst der Teufel vollkommen von ihm abhängig. Dieser ist nicht eine eigenständige böse Substanz, sondern vielmehr als Engel des Lichtes geschaffen, der durch seinen eigenen bösen Willen zum Teufel geworden ist. Sieht man das Böse als selbststehende Substanz, so gelangt man unweigerlich zum Dualismus der Perser und zur Irrlehre der Manichäer.“
Aha. An dieser Stelle wäre es freilich schön gewesen, wenn der Begriff der Substanz, der hier so unvermittelt eingeführt wird, ein wenig näher erläutert würde. Uns Katholiken ist der Begriff am ehesten von der „Transsubstantialisationslehre“ bekannt, also von der Lehre, daß bei der Wandlung in der Heiligen Messe die Substanz des Brotes in den Leib Christi, die Substanz des Weines in das Kostbare Blut Unseres Herrn übergeht. Von Brot und Wein bleiben daher nur die Gestalten, die Akzidentien, wie wir es philosophisch ausdrücken, also das Aussehen, Geschmack, Geruch usw., während das eigentliche darunterliegende Wesen sich verwandelt hat. „Vom Brot allein Gestalt und Schein sieht's Auge dein.“ Ebenso wäre es vielleicht nicht ganz unwichtig, hier schon darauf hinzuweisen, daß auch die Akzidentien ein Sein besitzen, wenn sie dafür auch eines Trägers bedürfen, daß zweitens akzidentelle Änderungen auch durchaus auf die Substanz rückwirken und von solcher Art sein können, daß sie die Substanz selbst berühren. Wenn man beispielsweise eine konsekrierte Hostie auflöst, so verschwindet mit der Gestalt auch die Substanz; wenn man in den Kelch mit dem Kostbaren Blut so viel Wasser gießt, daß die Gestalt des Weines darin aufgeht, ist auch die Substanz verschwunden.

Wenn nun auch das Böse an sich sicher keine Substanz ist (aber auch kein Akzidenz, weil es ja gar kein Sein hat), sondern in einem Mangel an Gutem besteht, so haftet doch dieser Mangel seinerseits stets letztlich an einer Substanz und vermindert – zumindest akzidentell – ihre Güte und ihr Sein (denn bonum et ens convertuntur, das Gute und das Sein lassen sich vertauschen). So ist der Teufel zwar eine geschaffene Substanz, aber doch immerhin eine Substanz, und zwar eine Substanz, die eine privatio boni an sich trägt, die nämlich durch ihren bösen Willen selbst böse geworden ist. Der Teufel kann also sehr wohl eine eigenständige böse Substanz genannt werden, wenngleich er als Geschöpf von Gott abhängig ist und diesem keineswegs auf gleicher Ebene gegenübersteht. Der Autor unseres Beitrags leistet sich hier den Sophismus, das abstrakte Böse und den konkreten Teufel in eins zu setzen (wie es übrigens auch bei vielen Modernisten üblich ist), überdies leugnet er die geschöpfliche Substanz bzw. verwechselt Substanz mit der „Aseität“ (dem unabhängig und aus sich selbst Existieren) Gottes und kommt so zu dem Fehlschluß, wer den Teufel (für ihn gleichbedeutend mit „das Böse“) als eigenständige böse Substanz betrachte, verfalle dem Dualismus der Perser und Manichäer.

Doch wozu soll uns dieser ganze Exkurs über Substanz und Akzidentien, über das Böse und den Teufel führen, wo wir doch von der Konzilskirche handeln wollen? Der Autor erklärt es uns, indem er uns darauf hinweist, daß wir uns bei der Redeweise von der „Konzilskirche“ immer bewußt sein müßten, „dass wir nicht von einer real existierenden anderen Kirche sprechen, sondern von der Entstellung und dem Niedergang der wahren römisch-katholischen Kirche“. Also dürfen wir auch nicht von einem real existierenden Teufel sprechen, sondern nur von einem Niedergang der wahren heiligen Engel?
„Mit anderen Worten: Die Konzilskirche ist nicht eine Institution, sondern eine Denkweise, die Darstellung des liberalen, modernistischen, unkatholischen Denkens. Das Unkraut hat den Weizen weitgehend überwuchert; auf manchem Acker der Kirche sieht man ihn überhaupt nicht mehr. Um noch ein anderes Bild zu verwenden: Ein menschlicher Leib, vom Krebs befallen, ist immer noch gut; man muss den Krebs, nicht den kranken Leib bekämpfen. So verhält es sich auch bei der Kirche, dem mystischen Leib Christi. Es geht nicht an, gegen die kranke, aber von Gott gesetzte Autorität der Kirche anzukämpfen, sondern gegen die schlimme Krankheit, welche die Autorität befallen hat.“ Wenn wir das noch einmal auf den Teufel anwenden dürfen, den uns unser Spezialist in diesen Dingen ja selbst als Analogon angegeben hat, müssen wir dann also sagen: Der Teufel ist nicht eine Institution, keine Realität, sondern eine Denkweise, er ist nur von Unkraut überwuchert, darunter aber immer noch gut, man muß nur seinen „Krebs“ bekämpfen? Ist der Teufel nur ein kranker Engel? Wie weit sind wir dann noch vom Modernismus entfernt, wo wir genau solchen Behauptungen stets begegnen? (Daß der Teufel noch immer seine gute Engelsnatur besitzt, steht auf einem anderen Blatt, aber auch diese an sich gute Natur hat er durch die Bosheit seines Willens ganz in den Dienst des Bösen gestellt.)

Der Kern der Frage: Existiert die „Konzilskirche“ oder nicht?
Doch unser Autor will uns ja nicht über das Wesen des Teufels belehren, auch wenn er hierin sicher sehr erfahren ist, wie er erst unlängst bei der Entlarvung eines diabolischen Karmel-Spirituals und seiner dämonischen Nonnen bewiesen hat, sondern über die Natur bzw. das Nichtvorhandensein der
„Konzilskirche“. Wenn wir also seiner etwas wirren Argumentation mit dem Teufel folgen, dann dürfen wir etwa so formulieren: Die „Konzilskirche“ ist nur eine „privatio“, ein „Mangel“ an der wahren katholischen Kirche, existiert also als solche in Wirklichkeit gar nicht, jedenfalls nicht als Institution, sondern allenfalls als Denkweise oder Krankheit. Das, was blinde „Eiferer“ für die Konzilskirche halten, ist unsere gute, heilige katholische Kirche, die schwer an Krebs erkrankt darniederliegt. Statt sie zu bekämpfen, sollten wir ihr vielmehr zur Hilfe eilen, um sie von ihrem Krebs zu heilen.

Wir müssen daher vor allem unvoreingenommen die Frage klären: Gibt es die „Konzilskirche“ wirklich, existiert sie real als von der katholischen Kirche verschiedene Institution oder nicht? Die bisherigen Sophistereien haben uns darin leider nicht weitergebracht, im Gegenteil. Konsequent zu Ende gedacht, führen sie vielmehr, auch wenn sie bisher nur wenige Zeilen im Beitrag unseres Autors in Anspruch genommen haben, bereits zu einer beträchtlichen Zahl handfester Irrtümer.

Wenn es nämlich nur eine Kirche gibt und alle anderen häretischen und schismatischen „Kirchen“ nichts anderes sind als diese eine Kirche, nur durch Krebs entstellt, dann befinden wir uns mitten im konziliaren Ökumenismus. Wenn der Teufel nur ein Chiffre für „das Böse“ ist, das in Wirklichkeit gar nicht existiert, dann nehmen wir mit Herbert Haag „Abschied vom Teufel“. Ist der Teufel hingegen ein an sich guter Engel geblieben, der nur „krank“, also auch heilbar ist, dann sind wir bei der Apokastasis-Lehre eines Origines oder Hans Urs von Balthasar. Und wenn wir die geschöpfliche Substanz leugnen und dazu vielleicht noch das reale Sein der Akzidentien, dann bleibt uns nichts als der Monismus oder Pantheismus. Man sieht, wo man hingelangt, wenn man nicht mehr klar und ordentlich denkt.

Um uns nicht gleichfalls im Dickicht solcher wilder und krauser Spekulationen zu verlaufen, wollen wir deshalb die Frage ganz praktisch und historisch angehen. Die katholische Kirche läßt sich bekanntlich auf Unseren Herrn Jesus Christus zurückführen, der sie in eigener Person gegründet hat. Dazu berief Er Seine Apostel, bestellte einen von ihnen zu deren Oberhaupt, und betraute sie mit dem dreifachen priesterlichen Amt des Leitens, Lehrens und Heiligens, um damit Seine Nachfolge anzutreten, denn Er ist ja „der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Er hinterließ ihnen zu diesem Zweck Seine eigene Lehre, das Heilige Meßopfer und die aus diesem fließenden Sakramente und verlieh ihnen den besonderen Beistand des Heiligen Geistes, welcher sie in der
Ausübung ihres Amtes leiten und die Unfehlbarkeit der Kirche in Sachen des Glaubens, der Sitten, der Disziplin und der Liturgie gewährleisten sollte. Somit war mit der Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingstfest über die Apostel die Gründung der Kirche Jesu Christi abgeschlossen. Seither kennen wir sie wesentlich unverändert als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, welche im römischen Papst als Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi ihr sichtbares Oberhaupt hat und von den unter diesem und in Einheit mit ihm sich befindenden Bischöfen geleitet wird.

Ziehen wir zum Vergleich die orthodoxen Ost-“Kirchen“ heran, so stellen wir fest, daß diese sich auf das sog. Morgenländische Schisma zurückführen lassen, also etwa um das Jahr 1000 herum durch Abspaltung von der katholischen Kirche entstanden sind. Wenngleich sie vieles von der katholischen Kirche übernommen haben, darunter nicht zuletzt die sieben Sakramente, so haben sie doch die Verbindung mit dem Papst aufgegeben und gehören somit nicht mehr zur katholischen Kirche; sie sind eigenständige, „autokephale“ Institutionen geworden mit ihrem je eigenen Oberhaupt. Wir kennen sie als „russisch-orthodoxe“, „griechisch-orthodoxe“, „serbisch-orthodoxe“ usw. „Kirchen“, und es handelt sich um real existierende kirchenähnliche Gebilde mit einer Hierarchie, mit Priestern und sich als zugehörig bezeichnenden Gläubigen, die freilich nicht die Kirche Jesu Christi sind noch als Teilkirchen zu dieser gehören.

Deutlicher ist der Unterschied bei jenen Gemeinschaften, die aus der sog. Reformation hervorgegangen sind. Sie entstanden im 16. Jahrhundert und danach und verdanken sich so illustren Gründergestalten wie Martin Luther, Johannes Calvin oder Huldreich Zwingli. Obwohl sie nur noch
sehr wenig aus der katholischen Kirche übernahmen (im wesentlichen nur die Heilige Schrift und die Taufe) und selbst den katholischen Kirchenbegriff und natürlich die Hierarchie ablehnten, bildeten sich doch wieder Gemeinschaften, die oftmals sogar gewisse der Kirche nachgeformte Strukturen mit „Bischöfen“ und „Pastoren“ – freilich ohne Weihe – aufweisen und sich zum Teil heute wiederum als „Kirchen“ bezeichnen, so etwa die verschiedenen „Landeskirchen“, die „Lutherische Kirche“ usw. Ja, es ging ein Aufschrei durch die Reihen dieser „Kirchen“, als sie im Jahr 2000 in dem Dokument „Dominus Jesus“ Kardinal Ratzingers nur als „kirchliche Gemeinschaften“ deklariert worden waren.

Wir stellen also fest, daß es von der wahren, katholischen Kirche verschiedene Institutionen gibt, die jedoch der Kirche Christi nachgebildet wurden, meist aus einer Abspaltung von dieser stammen und daher als „Kirchen“ gelten wollen und im heutigen Sprachgebrauch auch so bezeichnet werden. Wie steht es nun mit der „Konzilskirche“? Läßt sich auch diese als so ein eigenständiges, von der Kirche Christi verschiedenes Gebilde kennzeichnen und geschichtlich festmachen?

Wie der Name schon sagt, beruft sich die „Konzilskirche“ - deren Name übrigens von Erzbischof Benelli stammt, wie unser kundiger Autor ebenfalls in seinem Artikel angibt – auf „das Konzil“, näherhin das „II. Vatikanum“, das von 1962 bis 1965 stattgefunden hat. Es ist bezeichnend, daß dieses Konzil in der Optik vieler Neuerer, die von einer „neuen Kirche“ träumten, als ein „neues Pfingsten“ wahrgenommen wurde, also als Geburtsstunde jener Kirche, die wir mit dem „seligen“ Johannes Paul II. die „Kirche des Neuen Advent“ nennen können. Ist diese „Kirche des Neuen Advent“ die Kirche Jesu Christi?

Ihr Gründungsdatum ist nicht das der katholischen Kirche, denn diese ist fast 2000 Jahre älter. Ihr Gründer ist auch nicht Unser Herr Jesus Christus, sondern der „Konzilspapst“ Paul VI. mit seinem „Vorläufer“ und „Wegbereiter“ Johannes (tatsächlich hat sich Johannes XXIII. ganz in diesem Sinne bewußt nicht nach dem Lieblingsjünger, sondern nach dem Täufer benannt). Demgemäß verfügt diese „Kirche“ über eine eigene Lehre, die sich im Dokument „Dignitatis Humanae“ über die Religionsfreiheit verdichtet und zusammenfassen läßt als der von den Päpsten stets verurteilte und der Kirche wesensfremde und feindliche Liberalismus. Noch Paul VI. verlieh dieser neuen „Kirche“ auch ihre „Neue Messe“ und ihre neuen Sakramente, während der nach ihren Gründungsvätern benannte Johannes Paul II. ihre Disziplin in das neue Kirchenrecht von 1983 goß. Er berief sich dabei ausdrücklich auf Johannes XXIII., von welchem die ursprüngliche Idee des neuen Kirchenrechts ebenso wie die des Konzils stammte, und betont in seiner Bulle „Sacrae Disciplinae Leges“ zur Promulgation des neuen Codex, dieser entspreche „deutlich dem Wesen der Kirche, wie es vor allem durch das Lehramt des II. Vatikanischen Konzils ganz allgemein und besonders in seiner ekklesiologischen Lehre dargestellt wird“. „Ja, dieser neue Codex kann gewissermaßen als ein großes Bemühen aufgefaßt werden, eben diese Lehre, nämlich die konziliare Ekklesiologie, in die kanonistische Sprache zu übersetzen. Auch wenn es unmöglich ist, das in der Lehre des Konzils beschriebene Bild der Kirche erschöpfend in die kanonistische Sprache zu übertragen, wo muß doch der Codex sich immer auf dieses Bild wie auf ein vorrangiges Beispiel beziehen, dessen Züge er soweit wie möglich gemäß seiner Natur ausdrücken muß.“ Etwas weiter im Text spricht der „große“ Johannes Paul vom Codex als „Vervollständigung der vom II. Vatikanischen Konzil
vorgestellten Lehre“ und bekennt ohne weiteres, „daß jenes grundlegende Neue, das, ohne jemals von der gesetzgeberischen Tradition der Kirche abzuweichen, im II. Vatikanischen Konzil anzutreffen ist, besonders was seine ekklesiologische Lehre betrifft, auch das Neue im neuen Codex ausmacht“.

Wir haben es also mit einem eigenen „Lehramt des II. Vatikanischen Konzils“ zu tun, welches uns eine „ekklesiologische Lehre“ über das „Wesen der Kirche“ übermittelt, in der sich „grundlegend Neues“ über das „Bild der Kirche“ befindet und die hier in „kanonistische Sprache“ übersetzt wird. Wie könnte man uns deutlicher sagen, daß hier eine neue „Kirche“ entstanden ist, die über ein eigenes Lehramt (das des „II. Vatikanischen Konzils“), eine neue Lehre und Ekklesiologie und damit natürlich auch über ein neues sie strukturierendes Recht verfügen muß? Wir haben somit alle Elemente beisammen, um von einer neuen und daher von der katholischen Kirche durchaus verschiedenen „Kirche“ zu sprechen: ein „neues Pfingsten“, ein neues Lehramt, eine neue Lehre, neue Sakramente, eine neue Disziplin. Und obwohl diese neue „Kirche“ sich allsogleich ganz greifbar überall manifestierte, z.B. durch den Umbau alter Kirchengebäude, die der neuen Liturgie nicht mehr entsprachen und mindestens durch einen „Volksaltar“ angepaßt werden mußten, oder auch durch neue Meßbücher, Gesangbücher, Paramente usw., trotz alledem soll die „Konzilskirche“ keine „real existierende andere Kirche“ sein, keine Institution, sondern lediglich eine „Denkweise“? Ist ein „Volksaltar“ nur eine „Denkweise“, oder ein real existierender – meist sehr massiver – Klotz? Sollen wir ihn uns einfach nur wegdenken, damit wir uns wieder in der katholischen Kirche befinden?

Auch wenn sich diese „Darstellung des liberalen, modernistischen, unkatholischen Denkens“, wie es unser Autor nennt, mitten im Raum der katholischen Kirche breitmacht, in den Kirchengebäuden, den Pfarrhäusern, Ordinariaten, ja selbst im Vatikan, so ist und bleibt sie doch eine eigene, der Kirche Christi wesensfremde Realität und wird auch als eine solche wahrgenommen, wie gerade das Beispiel „Volksaltar“ zeigt. Soll man denn seine Augen verschließen, um nicht mehr zu bemerken, wie allüberall in den Seminarien, den Ordensinstituten, den Schulen, den Familien diese höchst sicht- und greifbaren Erscheinungen wuchern, mit neuen Bibeln, neuen Katechismen, neuen und adretten Ordenskleidchen (wenn überhaupt noch solche getragen werden), neuartiger Theologie, sentimentaler charismatischer Frömmigkeit abwechselnd mit agnostischem
Rationalismus? Und das soll keine neue, keine andere „Kirche“ sein, die sich da breitmacht? Wenn man schon unbedingt den Vergleich mit der Krebskrankheit strapazieren will: Ist ein Krebsgeschwür keine Realität? Bildet es nicht gerade einen zerstörerischen Fremdkörper im Kranken? Muß es nicht als solches bekämpft und beseitigt werden, um dem Kranken zu helfen? Das Krebsgeschwür ist nicht der Patient, und die „Konzilskirche“ ist nicht die katholische Kirche.

Es ist nicht wirklich neu, daß eine solche neue und falsche „Kirche“ durch echte kirchliche Amtsund Würdenträger gebildet wird. Man kann sagen, daß dies fast die Regel ist. Waren es nicht zuallermeist katholische Bischöfe, Priester und Ordensleute, welche am Ursprung schismatischer oder häretischer „Kirchen“ standen oder doch prominent an ihnen mitwirkten? Neu und bislang theologisch unbewältigt ist freilich die Mitwirkung von Päpsten. Doch ändert diese nichts an dem unumstößlichen Befund, daß wir es bei der „Konzilskirche“ mit einer anderen, von der wahren katholischen Kirche verschiedenen, erkenn- und greifbaren Realität und Institution zu tun haben, die wir ablehnen und bekämpfen müssen, wenn wir der katholischen Kirche treu bleiben wollen.

Dazu gehört auch, jene Autoritäten abzulehnen und zu bekämpfen, welche sich zu jener „Konzilskirche“ halten, mögen sie selbst auf dem Papstthron sitzen. Nehmen wir beispielsweise den sich „Franziskus“ und „Bischof von Rom“ nennenden argentinischen Armutsapostel, der im vatikanischen Gästehaus wohnt und dort täglich die Neue Messe feiert (ohne dabei auch noch eine einzige Kniebeuge zu machen), der gleich am Tag nach seiner Amtseinführung „die Vertreter anderer Religionen und anderer christlicher Kirchen beziehungsweise Gemeinschaften im Vatikan empfangen“ und dabei versichert hat, „den ökumenischen Dialog und das Gespräch der Religionen im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils fortsetzen zu wollen“, der erst unlängst das II. Vatikanum als „Meilenstein in der Kirchengeschichte“ pries, es ein „schönes Werk des Hl. Geistes“ nannte, das leider noch „mangelhaft verwirklicht“ sei, und es bedauerte, daß es da auch „Stimmen“ gebe, die „dickköpfig“ seien, die „gar nicht vorwärts“ wollten, „sondern zurück“, der neuerdings auch die Allerlösungslehre predigte; bekennt und betätigt sich dieser Mann als Autorität der „Konzilskirche“ oder als „kranke, aber von Gott gesetzte“ Autorität der katholischen Kirche? Es ist daher unbegreiflich, wie es ausgerechnet einer sich der „Tradition“ zurechnenden Gemeinschaft einfallen kann, den katholischen Gläubigen nun beibringen zu wollen, die Konzilssekte sei die katholische Kirche und man müsse sich in die Hände eines solchen Papstes begeben!

Wenn man die ganze Pseudo-Argumentation des in Rede stehenden Artikels zusammen überblickt, wird die Sache noch abstruser und gespenstischer. Der Autor behauptet nämlich im Grunde nichts anderes, als daß die katholische Kirche, jene makellose Braut Unseres Herrn Jesus Christus, „vom liberalen Geist durchdrungen“, zur Konzilskirche „entstellt und fast unkenntlich geworden“ und damit gewissermaßen vom heiligen, lichtdurchstrahlten Engel zum häßlichen, finsteren Teufel geworden ist! Und diesem Teufel sollen wir nun helfen, wieder ein heiliger Engel zu werden, denn immerhin ist er ja nur krank und daher heilbar? Unfaßbar! Immerhin befänden sich dann verteufelte Ordensfrauen mit ihren Spiritualen ja in guter Gesellschaft und es bestünde doch noch Hoffnung für sie …

Eine angeblich nicht vorhandene Kursänderung 
Ein weiteres, ebenso verfehltes Argument unseres Autors gegen die „Eiferer“, für die er offensichtlich weitaus weniger Verständnis hat als für die armen, „kranken“ Autoritäten der Konzilskirche, wehrt sich gegen den Vorwurf, die „Piusbruderschaft“ habe ihren Kurs geändert, da sie doch bei ihrem Generalkapitel im Jahr 2006 beschlossen habe, „jedem praktischen Abkommen mit Rom müsse eine lehrmäßige Übereinstimmung vorausgehen“.

Die Antwort unseres kompetenten Autors: „In der Tat wurde solches bei besagter Zusammenkunft der Oberen beschlossen. Dann aber änderte sich der Rahmen: Papst Benedikt XVI. gab der heiligen Messe in ihrer altüberlieferten ehrwürdigen Form wieder Heimatrecht – wenigstens in gewissem Umfang, nahm das Exkommunikationsdekret des Jahres 1988 gegen unsere Bischöfe zurück und ordnete Lehrgespräche an, die auch tatsächlich vom Oktober 2009 bis zum April 2011 stattfanden. Diese förderten die Nichtübereinstimmung in einer ganzen Reihe von Punkten klar zutage. Folglich musste auf diese neue Herausforderung eine neue Antwort gegeben werden – und diese gab eben das Generalkapitel des vorigen Jahres.“

Dazu ist zu sagen, daß die hier als gewissermaßen unvorhersehbar neuen Ereignisse dargestellten Punkte bereits lange vor dem Generalkapitel des Jahres 2006 in der „Agenda“ der „Piusbruderschaft“ für ihre Annäherung an das konziliare Rom vorgesehen und geplant waren. Schon im Jahr 2000 forderte man die „Freigabe der alten Messe“ und die „Aufhebung der Exkommunikation“ als „Préalables“, welche zeigen sollten, ob es Rom mit der Annäherung ernst sei. Danach sollten die eigentlichen Verhandlungen stattfinden, welche doktrinärer Art sein und zu einer lehrmäßigen Übereinstimmung führen sollten als unabdingbarer Grundlage für jede juridische Einigung. Das Generalkapitel 2006 startete selbst den ersten „Rosenkranz-Kreuzzug“ für die „Freigabe der Alten Messe“.

Wenn nun nach dem Jahr 2006 diese „Agenda“ Punkt für Punkt abgearbeitet wurde und zu dem – keineswegs überraschenden – Ergebnis einer „Nichtübereinstimmung in einer ganzen Reihe von Punkten“ geführt hat, wäre damit nicht eigentlich einfach nur klar gewesen, daß es eben dann auch zu keiner wie immer gearteten „kanonischen Regelung“ kommen kann? Stattdessen soll sich dadurch nun der „Rahmen geändert“ haben, sodaß auf diese „neue Herausforderung eine neue Antwort“ gegeben werden mußte, die dann ausgerechnet darin bestand, daß man die so groß als „Bekehrung Roms“ verkaufte und angeblich mit allen Fasern angestrebte „lehrmäßige Einigung“ einfach kippte und schlicht darauf verzichtete? Und das soll keine Kursänderung gewesen sein! Das war sie allenfalls dann nicht, wenn man von vornherein wußte, daß man nur auf eine „kanonische Regulierung“ zustrebte und alles andere nur blendendes Beiwerk war.

Noch einige böse Seitenhiebe
Der Beitrag schließt mit dem üblichen Seitenhieb gegen die „Sedisvakantisten“, der die immer gleichen Sophismen und Sottisen wiederholt, die der Autor unseres Beitrags in diesem
Zusammenhang stets vorzubringen pflegt, und auf die daher einzugehen sich nicht lohnt, zumal bereits anderswo ausführlich darauf geantwortet wurde. Interessant ist nur das Eigentor, welches der Autor schießt, wenn er von einem „praktischen Sedisvakantismus“ spricht, welcher darin bestehe, daß man „wohl den Papst theoretisch anerkennt, ihm aber gewohnheitsmäßig den Gehorsam verweigert“. Genau das ist aber stets die Haltung der „Piusbruderschaft“ und damit auch unseres Autors gewesen und zwar bis heute! Oder worin gehorcht diese denn dem Papst Franziskus beispielsweise, der fordert, man solle nicht „dickköpfig“ hinter dem Konzil zurückbleiben? Oder gehorchte man Papst Benedikt, indem man die Neue Messe in ihrer „Würde und Heiligkeit“ als die „ordentliche Form“ des „einen römischen Ritus“ anerkannte, wie es das Motu proprio „Summorum Pontificum“ forderte, um im Gegenzug die „außerordentliche Form“ desselben feiern zu dürfen, oder indem man die von ihm ausdrücklich geforderte „doktrinäre Präambel“ unterzeichnete mit der Anerkennung des II. Vatikanums und der „Lizeität“ des „Novus ordo“?

Natürlich fehlt in dem unsäglichen Artikel, um das Maß der Schändlichkeit voll zu machen, auch nicht eine erneute Schmähung des verdienten Bischofs Williamson, und dies ausgerechnet im Zusammenhang mit einem Hinweis auf das 25jährige Jubiläum der Bischofsweihen durch Erzbischof Lefebvre. Bischof Williamson ist immerhin im Sinne seines Wappenspruchs treu geblieben, „ut fidelis inveniatur“, was man von den anderen drei damals geweihten Bischöfen leider nicht sagen kann. Also wahrhaft kein Grund für irgendwelche Jubelfeiern, eher ein Anlaß für kritische Selbstbesinnung, Trauer und Buße, aber auch für stillen Dank, daß uns wenigstens ein Bischof erhalten geblieben ist.

Stattdessen muß unser Autor noch einmal zu seinen Sophismen zurückkehren und behauptet:
„Einen Freibischof in der Kirche gibt es jedenfalls nicht. Greifen wir nochmals auf die Philosophie zurück: Akzidenzien gibt es nur in einer Substanz, niemals freischwebend. Sieht man die Kirche als eine Substanz und ihre Amtsträger als ihre akzidentiellen Vertreter, dann wird sofort klar, wie unhaltbar und unkirchlich die jetzige Lage von Bischof Williamson ist. Mit einer solch unkatholischen Haltung dient man angeblich der katholischen Kirche.“

Einen Bischof als „Akzidenz“ an der „Substanz“ Kirche zu betrachten, darauf muß man erst einmal kommen! Hier kann man wirklich nur noch sagen: „Si tacuisses...“ - „wenn du doch nur jetzt endlich geschwiegen hättest“! Doch was ist mit den anderen Bischöfen der Bruderschaft, sind diese Weihbischöfe nicht auch „Freibischöfe“? Und was war mit einem Erzbischof Lefebvre, der schließlich sogar aus dem Päpstlichen Jahrbuch gestrichen wurde? War dieser auch ein
„Freibischof“, den es ja gar nicht gibt? Hat er mit seiner „unkatholischen Haltung“, als er ohne päpstliches Mandat und sogar gegen den ausdrücklichen Willen und das Verbot Johannes Pauls II. vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen weihte, der katholischen Kirche gedient oder nicht? Hier wird in der Tat sofort klar, wie haltbar und kirchlich die jetzige Lage von Bischof Williamson ist, und wie unhaltbar und unkirchlich die unseres sophistischen Autors!

Wenn man dazu weiß, daß der hier ungenannt gebliebene Autor besagten sophistischen Beitrags einst der Generalobere der von Erzbischof Lefebvre gegründeten Bruderschaft gewesen ist, so bleibt nichts als grenzenloser Schmerz über solchen Niedergang. Nur die Klagelieder des Jeremias bieten hier noch einigen Trost: „Womit soll ich dich vergleichen, oder was soll ich dir ähnlich finden, Tochter Jerusalem? Was soll ich dir gleichstellen, daß ich dich tröste, Jungfrau, Tochter Sion? Denn groß wie das Meer ist dein Elend, wer kann dich heilen? Deine Propheten erschauten dir Trug und Torheit und deckten deine Verschuldung nicht auf, um dich zur Buße zu bewegen, sondern erschauten dir Sprüche des Truges und der Verstoßung. So hat der Herr ausgeführt, was er beschlossen, er hat sein Wort erfüllt, das er von den Tagen der Vorzeit her entboten; er hat zerstört ohne Schonung, hat den Feind über dich frohlocken lassen und das Horn deiner Bedränger erhöht“
(Klgl. 2,13.14.17).