27/03/2013

Das entsetzliche Versäumnis : Offener Brief von Pater Hugo Ruiz Vallejo


                                            
Das entsetzliche Versäumnis 


„Wenn das Salz seine Kraft verliert...“ 

Offener Brief von Pater Hugo Ruiz Vallejo an die Gläubigen der Tradition von Mexico-City

Der gute Hirt




Pater Hugo Ruiz Vallejo von der Priesterbruderschaft St.Pius X., der in Mexico tätig ist, erinnert uns an den guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe. Wir verstehen und bewundern ihn  und schließen uns ihm ganz an. Wir beten, daß dieser Brief vielen Priestern in Frankreich und weltweit helfen möge, den gleichen Schritt zu tun.


Liebe Freunde in Christo,

einige von Ihnen wissen bereits, daß ich meinen Wohnsitz in der Casa San José hier in Mexico aufgegeben habe. Um zu vermeiden, daß es unter Ihnen zu Mißverständnissen und Ratlosigkeit kommt, erachte ich es als wichtig und notwendig, Ihnen die schwerwiegenden Gründe darzulegen, die mich zu meiner Entscheidung bewogen haben.

Sie alle kennen die Gründe, die zu dem geführt haben, was man heute die Bewegung der Tradition nennt und die zu Beginn in verschiedenen Teilen der Welt existierte. Sie lebt jetzt hauptsächlich in der Priesterbruderschaft St. Pius X. weiter, dem Werk eines vorbildlichen Bischofs, Mgr Marcel Lefebvre, der es unternahm, die Werte der katholischen Kirche gegen die Invasion des Modernismus zu verteidigen – diesen Modernismus, der die Kirche Christi vor allem durch das II. Vatikanische Konzil und durch alle kirchlichen Reformen, die aus diesem Konzil hervorgingen, heimgesucht hat. Dieser Angriff auf die Kirche hat unter den wahren Katholiken eine Bewegung der legitimen Verteidigung hervorgerufen, die nicht nur natürlich sondern auch notwendig war. Der Kampf gegen die lehrmäßigen Irrtümer der modernen Welt, den die Päpste des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, allen voran Papst Pius X., geführt haben, war auch der unsere, den wir auf uns nehmen und zu Ende führen wollten.

Indessen stellen wir - d. h.vor allem die Traditionalisten, die den Kampf von Anfang an geführt haben – fest, daß unsere Oberen nach und nach unsere Ansprüche herabgesetzt und im Kampf zur Verteidigung des Glaubens nachgelassen haben. Sie haben zunächst vorgegeben, daß man auf diese Weise Rom bekehren könne – nicht nur, indem man die Verirrungen der kirchlichen Autoritäten nicht mehr so stark anprangerte, sondern auch, indem man sich der Amtskirche immer mehr annäherte. Nun stellt sich die Frage: Ist dies ein angemessenes Mittel, um Rom zu bekehren? Kann  man jemand zur Wahrheit bekehren, indem man die Wahrheit verschleiert? Kann man eine Änderung bei jemandem bewirken, indem man sich ebenfalls auf die schiefe Ebene seiner Irrtümer und seiner Dialektik begibt?

Zahlreiche Priester und Gläubige der Bruderschaft sowie befreundete Orden stellen mit wachsender Besorgnis ein Versäumnis fest, das immer stärkere Ausmaße annimmt, und ein Schweigen, das immer deutlicher wahrnehmbar wird.

Es steht fest, daß die Römer weder von den schlimmen Irrtümern des II. Vatikanischen Konzils ablassen, noch von der Neuen Messe, noch von den Reformen, die aus diesem Konzil hervorgegangen sind und an denen das Leben der ganzen Kirche leidet. Rom hat lediglich einige Zugeständnisse politischer Natur gemacht, um sich der Bruderschaft anzunähern; es sind kleine Zugeständnisse, die nicht ausreichen, um einen Richtungswechsel Roms im Sinne der Tradition nachweisen zu können. Ganz im Gegenteil läßt sich bei all diesen Verhandlungen und Gesprächen ein diplomatisches Vorgehen voller Falschheit feststellen. Wir können unsere wichtigen Entscheidungen nicht nur von Gerüchten abhängig machen oder von Fakten, die in keiner Hinsicht einen Beweis für die Bekehrung der kirchlichen Autoritäten darstellen.

Es steht fest, daß man trotz des Scheiterns der lehrmäßigen Gespräche, die angeblich geführt wurden, um Rom zu bekehren (und die nicht öffentlich gemacht werden), um jeden Preis mit der Annäherung an Rom fortfahren will, und dies unter äußerst gefährlichen Bedingungen. Und als Krönung des Ganzen gibt es heute schon solche, die glauben, daß die Bruderschaft ein Abkommen schließen müsse, ganz gleich, ob Rom sich bekehrt hat oder nicht!... („Ich würde sogar angesichts dieser erhabenen Realität sagen, daß es eine Lappalie ist, ob man mit Rom über ein Abkommen spricht oder nicht... Den Glauben verteidigen, den Glauben bewahren, im Glauben sterben, das ist das Wesentliche!“ Predigt Mgr Fellays am 30. Januar 2013 in Paris). Aber wollen wir uns denn von denen abhängig machen, die nicht die gleichen katholischen Grundsätze haben wie wir? Kann man gute Seelsorge betreiben ohne die richtige Lehre? Sollen etwa diejenigen, die die richtige Lehre nicht haben, die Seelsorge der Traditionalisten leiten? Wie sollten wir uns hinsichtlich der Glaubenspraxis verstehen, wenn wir nicht die gleichen Glaubens- und Moralgrundsätze haben? Hat nicht der neue Papst Franziskus sein Pontifikat dadurch angetreten, daß er auf dem Petersplatz ein Buch des Häretikers Kasper empfahl, Urbi et orbi ? Wäre es nicht ein sehr frommer Einfall, in der Höhle Ali Babas und der 40 Räuber zu wohnen, um Ali Baba und die 40 Räuber bekehren zu können...? Ein sehr frommer und sehr realistischer Einfall...

Die Beschlüsse des letzten Generalkapitels der Bruderschaft haben unsere Befürchtungen aufs Schlimmste bestätigt, denn im offiziellen Beschluß haben die Oberen der Bruderschaft die sechs Bedingungen erläutert, die im Fall eines Abkommens mit Rom oder einer innerhalb des römischen Systems vorzunehmenden Regularisierung in Frage kommen. Drei dieser Bedingungen seien notwendig und die anderen drei „wünschenswert“; d. h. selbst wenn der Papst sie nicht gewähren sollte, würden wir trotzdem das besagte „Abkommen“ treffen.

Ich mache darauf aufmerksam, daß eine „wünschenswerte“ Bedingung in Wahrheit gar keine Bedingung ist. Zu all diesen Bedingungen wäre viel zu sagen, aber das Schlimmste findet sich in der ersten der drei „wünschenswerten“: Die Entscheidungen unserer Kirchengerichte könnten von den Gerichten der Konzilskirche aufgehoben werden, und das auch noch mit unserem Einverständnis! Das heißt nichts anderes, als daß letztere mit ihren modernistischen Prinzipien über die Seelsorge der Priester der Tradition entscheiden!!! Darüber hinaus nimmt man in der zweiten „wünschenswerten“ Bedingung die Abhängigkeit von den Ortsbischöfen in Kauf, obwohl man ganz genau weiß, wie gern uns diese ihren Ansichten und und der Pastoral des II. Vatinanischen Konzils unterwerfen möchten!!! Hier geht es um einen geplanten Selbstmord der Tradition!!! Außerdem  billigt man in der dritten [wünschenswerten] Bedingung, daß der Leiter der uns vor dem Papst vertretenden Kommission unter Umständen kein Mitglied der Tradition ist! Wie könnte uns aber jemand vertreten, der nicht so denkt wie wir und der nicht aus unseren Reihen kommt...? Pater Mario Trejo, der mexikanische Distriktobere, schrieb kürzlich im Mitteilungsblatt des Distrikts Gott stirbt nie, daß in der Erklärung des letzten Generalkapitels der Bruderschaft „jeder Satz, jedes Wort erwogen und nochmals erwogen worden sei, um Zeugnis abzulegen für den Glauben aller Zeiten“... Wie könnte dann unter diesen Bedingungen der Glaube aller Zeiten von jenen verteidigt werden, die ihn nicht mehr bekennen?

Jedenfalls ist es jetzt offensichtlich, daß jene, die die Priesterbruderschaft St. Pius X. leiten, eine neue Haltung gegenüber Rom und seinen Irtümern einnehmen, eine Haltung, die geprägt ist von unzähligen Versäumnissen und einer Bereitschaft zu schwerwiegenden Kompromissen, die, obwohl sie noch nicht geschlossen wurden, eine äußerst besorgniserregende Geisteshaltung offenbaren. Es kommt zu immer mehr Versäumnissen bei all dem, worauf sich unser Kampf bezieht, bei den Zielen, die Mgr Lefebvre der Bruderschaft gesetzt hat, die den Grund für unser Vorhandensein bilden und  die den „Notstand“ rechtfertigen, aufgrund dessen wir unser Priesteramt ausüben können. Gäbe es keinen „Notstand“, so ließe sich unser Ungehorsam gegenüber Rom theologisch ebensowenig rechtfertigen wie der Gehorsam gegenüber der Autorität, den die derzeitigen Oberen der Bruderschaft mit Nachdruck fordern.

Der externen Politik entspricht eine interne „Politik“, d. h. daß sich innerhalb der Bruderschaft eine immer offensichtlichere Repressionspolitik gegenüber denen ausbreitet, die mit der Neuorientierung der Bruderschaft nicht einverstanden sind. Man übt Druck auf sie aus, man verfolgt, diskreditiert und straft sie in unterschiedlicher Weise. Hinzu kommen immer besorgniserregendere Erklärungen und Handlungen. So hat beispielsweise Pater Raphael Arizaga O.S.B. während eines spirituellen Vortrages vor Seminaristen im Seminar von Winona am 21. Dezember 2012 aus dem Mund von Mgr Fellay folgendes zu hören bekommen: „Weil ich die innere Einheit der Bruderschaft erhalten wollte, habe ich das Dokument zurückgezogen, das besagte: 'Ich verwerfe nicht das ganze II. Vatikanische Konzil', was ich tatsächlich gesagt habe.“  

Monseigneur Lefebvre riet nicht nur davon ab, die Indult-Messen zu besuchen, sondern auch die Messen von Gruppen wie der Petrus-Bruderschaft, weil diese Milieus an der Wurzel verdorben sind, in dem Sinne, daß das, was dort gelehrt und gefördert wird, über kurz oder lang zur Angleichung an die Konzilskirche führt. Wenn aber die Priesterbruderschaft St. Pius X. ihre Geisteshaltung und ihre Ziele ändert, würde sie dann nicht in eine ähnliche oder gar schlimmere Lage geraten, auch wenn derzeit das Abkommen mit Rom noch nicht Gestalt angenommen hat? 

Ich habe selbst festgestellt, daß viele Priester ihre Vorstellungen und ihre Haltung zum Kampf der Tradition gegen ihre Feinde geändert haben, und leider ist dies häufiger bei Neupriestern der Fall. Ich gehöre selbst zu den Opfern dieser neuen Linie unserer Oberen, eine Linie, die in unserem Kampf eine Fülle von Versäumnissen erkennen läßt. Man glaubt, in Rom nicht mehr viele Feinde zu haben, und der Optimismus ersetzt nach und nach das natürliche Mißtrauen, das man gegenüber den Zerstörern der Kirche empfinden müßte. Mein Distriktoberer, Pater Mario Trejo, hat mir verboten, über diese Themen zu reden, und zwar nicht nur bei der Predigt, sondern auch im privaten Umgang mit Gläubigen oder Priestern, wobei er mit Versetzung und strenger Bestrafung drohte.

Da ich innerhalb der Bruderschaft meinen Auftrag als Priester nicht mehr erfüllen kann - diesen Auftrag, der darin besteht, die ganze Wahrheit zu verkünden und vor der ganzen Gefahr zu warnen, die das Heil der Seelen bedroht, habe ich mich zum Wohl der Gläubigen von Mexico-City, die meine priesterlichen Dienste in Anspruch nehmen wollen, entschlossen, mein Amt außerhalb der Struktur der Bruderschaft auszuüben, obwohl ich ihr weiterhin angehöre. Ich hoffe, daß Sie und meine Mitbrüder die Gründe für diese schwerwiegende Entscheidung verstehen.

Möge Gott Sie durch unsere Mutter und Liebe Frau von Guadelupe segnen und erleuchten.

Pater Hugo Ruiz Vallejo, FSSPX
 
22. März 2013

Zum Gedächtnis der Sieben Schmerzen der allerseligsten Jungfrau Maria

Kontaktadresse: Salterrae22@gmail.com